Vogelzug

REZENSION

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Coverbild: wbg Theiss / Dietmar Nill / OKAPIA

„Vögel brauchen unseren Schutz!“

Leseprobe: https://www.wbg-wissenverbindet.de/14878/vogelzug

Das Buch „Vogelzug“ von Klaus Richarz, erschienen bei wbg Theiss im Februar 2019 (Preis: 38,00 €) eröffnet einem die faszinierende Welt der Zugvögel, zeigt aber auch eindrücklich, wie stark deren Welt durch das Einwirken des Menschen in Gefahr geraten ist. Es öffnet die Augen und motiviert zu verantwortungsvollem Handeln.

Klaus Richarz ist promovierter Biologe und leitete bis 2013 für 22 Jahre die Staatliche Vogelschutzwerte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland in Frankfurt am Main. Er war viele Jahre hauptamtlich im Naturschutz tätig, schreibt Sachbücher zu den Themen Vögel, Fledermäuse, Naturschutz und Naturerleben, die bereits in mehr als zehn Sprachen übersetzt wurden.

Das hochwertig bebilderte Sachbuch ist absolut lesenswert. Eröffnet es uns doch einen Einblick in das Leben der wichtigsten Zugvögel, beschreibt deren Flugrouten, erklärt das Vogel-Navi und geht auch kritisch auf die Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen durch Umweltverschmutzung, Plastikmüll und Schädigungen durch den Menschen ein.

Das Buch ist in zehn Kapitel untergliedert:

  1. Das Erscheinen und Verschwinden von Vögeln im Jahresverlauf
  2. Vogelzug in Zeit und Raum
  3. Reiseverhalten
  4. Vogelnavis und ihre Entschlüsselung
  5. Ruheziele, Rastgebiete und Rekorde
  6. Vom Ring zur Raumstation
  7. Gefahren auf dem Zug – Gefahr im Verzug
  8. Hilfen für Zugvögel
  9. Beobachtungsmöglichkeiten
  10. Anhang

Im Anhang werden wichtige Einrichtungen und Adressen der D-A-CH-Länder genannt. Literaturhinweise ermöglichen die tiefergehende Recherche.

Konnte man sich früher das Erscheinen und Verschwinden von Vögeln im Jahresverlauf nicht erklären, so gibt es heute viele Möglichkeiten die Mobilität der Vögel zu untersuchen.

Der Autor beantwortet Fragen wie „Wer zieht, wer bleibt?“, und erklärt was die Richtung des Vogelzugs bestimmt. Brutgebiete und Überwinterungsgebiete werden vorgestellt, Kartierungen der Flugrouten aufgezeigt, die Beringung von Zugvögeln erklärt.

Ein trauriges Kapitel ist jedoch die Tatsache, dass Zugvogelbestände durch direkte menschliche Verfolgung oder indirekt verursachte Gefahren infolge menschlichen Tuns massiv im Bestand gefährdet werden. Immer noch werden in Europa jedes Jahr bis zu 100 Millionen Vögel illegal getötet. Verbotene Netze, Leimfallen, Fanganlagen und Wilderei minimieren den Bestand. Komitees gegen den Vogelmord haben sich zum Schutz der Singvögel in Ländern wie Italien und Frankreich gebildet. Ein modernes und gewissenhaftes Europa müsste die Vogeljagd jedoch komplett verbieten.

Die fortschreitende Vernichtung von Vogelschutzgebieten ist ein zusätzliches Problem, welches von Klaus Richarz eindrücklich dargelegt wird. So bestehe nach einer Auswertung von BirdLife für 356 Gebieten in 122 Ländern die akute Gefahr, dass diese aufgrund weit fortgeschrittener Verschlechterungen ihres Zustands schon sehr bald ihren Wert für die Natur unwiederbringlich verlieren. Die Plastikvermüllung etwa der Oberen Bucht Panamas als Rastplatz von 2 Millionen Küstenvögeln bis zur Tasmanischen See ist für Seevögel wie Albatrosse eine tödliche Gefahr. Dies ist nur ein Beispiel, welches aufzeigt, dass gehandelt werden muss.

In Deutschland stehen fünf Gebiete auf der Gefährdungsliste der Rastplätze: der untere Niederrhein zwischen Duisburg und der niederländischen Grenze, die Hellwigbörde in Nordrhein-Westfalen, die Leda-Dümme-Niederung in Niedersachsen, das Mühlenberger Loch bei Hamburg sowie die Vorpommersche Küsten- und Boddenlandschaft zwischen Darß und Rügen. Windkraftausbau, Windparks, Nutzungsintensivierungen, massive Entwässerungen, Stellnetzfischerei und der Sand- und Kiesabbau vor der Ostsee-Küste werden als Grund genannt.

Die Folgen des Klimawandels werden von Richarz fundiert und logisch nachvollziehbar dargestellt. Der Klimawandel bewirkt Veränderungen des Zugverhaltens sowie die Abnahme des Zugumfangs, da die Vögel im Brutgebiet überwintern. Umstrukturierungen der Vogelwelt ganzer Kontinente sind bereits in vollem Gange. Zugvögel, die dann „zuhause“ eintreffen, finden alles schon besetzt. Der Kampf um Nahrung und Brutplätze wird die Vogelwelt verändern. Ansteigende Trockenheit und Mangelfluchten werden große Wanderbewegungen auslösen. Der Meeresspiegelanstieg bedingt durch die Eisschmelze und Meerwasserausdehnung wird die Küstenlandschaft mit riesigen Brutgebieten und große Teile der Tundra vernichten. Technische Bauwerke werden immer mehr zu Tötungsfallen. Der Flug gegen Fensterscheiben, Mittel- und Hochspannungsfreileitungen, Lichtfallen durch hell erleuchtete Gebäude, als auch die Rotoren von Windenergieanlagen töten Störche, Rotmilane, Seeadler & Co.

Fazit: Da schon jetzt auch Drohnen und in naher Zukunft auch bemannte Flugobjekte – sogenannte Dronen-Taxis – dort fliegen sollen, wo sich der Lebensraum von Vögeln und Insekten befindet, könnten diese technischen Neuerungen schon bald das „Aus“ der Vogelwelt bedeuten.

Meiner Meinung nach muss die Politik, Unternehmen der freien Marktwirtschaft als auch Naturschutzverbände jetzt anhand neuer Gesetzgebungen zum Schutz der Artenvielfalt dafür sorgen, dass das Leben unserer Vögel und Insekten geschützt ist. Ein Beispiel: Die Hamburger Morgenpost berichtete am 28. Februar 2019 darüber, dass Hamburg eine von fünf Testregionen ist, die den Transfer von A nach B mit Drohnen und Lufttaxis testen. Das Bundesverkehrsministerium unter der Führung von Andreas Scheuer (CSU) steckt in den kommenden vier Jahren 15 Millionen Euro in das Projekt. Schon heute wird in anderen Ländern wie etwa Hong Kong die Pizza per Drohne an bequeme Menschen ausgeliefert, oder Roboter bringen Fast Food und Päckchen dank künstlicher Intelligenz von A nach B. Dronen-Gesetze in Hongkong erlauben schon heute die gewerbliche Nutzung von Drohnen bis zu einer maximalen Flughöhe von 300 Fuß (91,4 Meter) im unkontrollierten Luftraum. Es ist also eine Frage der Zeit, bis der Luftraum nicht nur in Metropolregionen wie Hamburg, sondern allerorts mit Flugobjekten durchsetzt ist. Das Lufttaxi soll als „intelligente Vernetzung von Zeitverlusten, Umweltbelastung und geringerem Stress“ dem smarten Menschen dienen. Wenn das kein schlechter Witz ist!

Das Buch Zugvögel zeigt dramatisch auf, welch großer Gefahr die Vogelwelt ausgesetzt ist und wie verantwortungslos der Mensch mit dem Lebensraum der Tierwelt umgeht.

Es ist aber auch ein Mutmacher, der Wege aufzeigt, wie wir den Vogelbestand schützen können und jeder selbst einen Beitrag dazu leisten kann. Es ist ein immens wichtiges Buch, welches jeder Mensch gelesen haben sollte und ein Thema, welches sich vor allem auch die Politik und Wirtschaft zu Herzen nehmen sollte. Die Vogelwelt braucht Schutz. Der Planet gehört nicht nur den Menschen. Der unkontrollierte Luftraum darf nicht zur Tötungsfalle für Vögel werden. Er gehört allen Lebewesen.

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Abb. 75: Trupp aus Schneeammern auf dem Herbstzug im Schlicht- und Jugendkleid.

Foto: wbg Theiss / A. Limbrunner

Autor: Klaus Richarz

Erschienen: Februar 2019

Seitenzahl: 192 mit 218 Illustrationen, farbig

Verlag: wbg Theiss, Darmstadt.

Preis: 38,00 €

ISBN: 978-3-8062-3885-3

Erhältlich als: Buch, epub, PDF

 

Dies ist eine Rezension von Petra Pettmann M.A.

Archäologin, Anthropologin & Journalistin DJV, März 2019