Ravennas Mosaike: Basilika di San Vitale

Ein Reisebericht

von Petra Pettmann M.A., Oktober 2022

Prächtige Mosaikkunst aus spätantik-frühbyzantinischer Zeit begegnet uns in der Basilika di San Vitale

Schon im 6. Jahrhundert gab es Sponsoren, die den Bau prächtiger Kirchen finanzierten. Giuliano Argentario – dem heute die Straße vor der Basilika di San Vitale gewidmet ist, war reicher Bankier aus Ravenna und finanzierte das heute zum UNESCO Weltkulturerbe zählenden Prachtbaus.

Dank Giuliano Argentario können wir heute die Basilika di San Vitale bewundern. Er war im 6. Jahrhundert der Geldgeber. Foto: Petra Pettmann

Gleich acht Monumente Ravennas aus dem 5. und 6. Jahrhundert wurden 1996 auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes gesetzt. Eines davon, die Basilika di San Vitale, möchte ich euch mit diesem Beitrag etwas näherbringen.

Basilika di San Vitale in typisch morgenländischer Bauweise – UNESCO Weltkulturerbe in Ravenna. Foto: Petra Pettmann

Die Basilika di San Vitale wurde im 6. Jahrhundert errichtet und befindet sich gleich neben dem Mausoleum der einstigen römischen Kaiserin Galla Placidia (5. Jahrhundert). Das imposante Bauwerk wurde um 522 begonnen und am 19. April 548 von Erzbischof Maximilian dem heiligen Vitalis geweiht. Es war wohl ein katholischer Bischof namens Ecclesius, der den Bau errichten ließ. Zuvor gab es bereits einen kleinen kreuzförmigen Bau an dieser Stelle. Wem dieser geweiht war, ist nicht bekannt. San Vitale war ein römischer Legionär, der im Zuge der Kirchenverfolgungen den Märtyrer-Tod starb.

Neu an dem Bauwerk ist, dass die Basilika nicht mehr nach römischer Tradition mit drei Schiffen errichtet wurde, sondern vielmehr sich die morgenländische Bauweise mit Mittelkern und achteckigem Grundriss mit mittiger Kuppel durchsetzte. Diese Konstruktion wird von acht Pfeilern und Bögen getragen.

Ravenna: Basilika di San Vitale. Ein neuer Deutungsversuch der Symbolik der frühbyzantinischen Mosaike.
Jesus Christus sitzt auf dem blauen Planeten Erde. Welches Weltbild war damals bekannt? Foto: Petra Pettmann

Geht man in diese Kirche aus dem 6. Jahrhundert, so fallen einem zuerst oppulenten Fresken aus der Zeit um 1780 auf, die so gar nicht zu den Mosaiken des Presbyteriums und der Apsismuschel passen wollen. Denn hier sitzt Jesus auf einem kugelrunden strahlend blauen Globus und überreicht San Vitale mit der rechten Hand eine Krone. Auf der anderen Seite sieht man Bischof Ecclesius mit dem Modell der Kirche.

Kaiserin Theodora, verewigt in der Basilika di San Vitale in Ravenna. Foto: Petra Pettmann

Beeindruckend sind auch die Mosaike der Kaiserin Theodora von Byzanz (gest. 548 in Konstantinopel / Byzanz), die von zwei Hofdamen begleitet wird. Dieses findet man auf der rechten Seite. Sie überreicht als Geschenk einen großen Kelch. Ihr Kopf ist mit einem Diadem mit hellen Perlenreihen gekrönt. Um den Hals trägt die Kaiserin eine Kette aus Edelsteinen, das Gewand wird durch Edelsteinbesetzte Fibeln gehalten. Auch ihre Hofdamen sind edel gekleidet und tragen die dalmatische Tracht und das Pallium. Die Gesichtszüge sind individuell gestaltet.

Mitte links: Kaiser Justinian. Mitte rechts: Bischof Maximilian. Foto: Petra Pettmann

Auf der linken Seite sehen wir den oströmischen Kaiser Justinian, der einen goldenen Hostienteller trägt und von zwei Patriziern begleitet wird, dahinter die Kaiserliche Wache. Bischof Maximilian, der von rechts zur Mitte kommt, hält ein Kreuz, zwei Geistliche gehen ihm voraus. Auch hier wurden die Gesichter nach römischer Manier sehr detailliert dargestellt.  Justinian I. (527 – 565) hieß Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus, war Caesar seit 525, mit Theodora I. bis zu deren Tod 548 vermählt. Er starb 565 in Konstantinopel. Er gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der Spätantike und steht für den Übergang vom antiken Imperium Romanum zum Byzantinischen Reich des Mittelalters. Er gab auch das Corpus Iuris Civilis in Auftrag.

Kaiser Justinian, oströmischer Kaiser, und letzter „römischer Kaiser“

Mich hat diese genaue Darstellung der Persönlichkeiten am meisten fasziniert. Hier müssen wahre Künstler am Werk gewesen sein, denn mit kleinen Mosaiksteinchen eine solche Plastizität und Individualität zu schaffen, ist nicht einfach. Andere Figuren sind weniger gut ausgearbeitet. Dies kann mehrere Gründe haben: man wusste nicht, wie die Personen tatsächlich aussehen, der Mosaik-Meister war nicht selbst beteiligt, sondern weniger begabte Handwerker, oder sie wurden später ausgetauscht, repariert, verändert. Wer weiß? Schließlich haben diese Mosaike bereits über 1500 Jahre überdauert. Ein Wunder, dass sie noch vorhanden sind!

Man sagt, Theodora kam aus ärmlichen Verhältnissen, war Schauspielerin und lernte Justinian im Alter von 25 Jahren kennen. Justinian war 15 Jahre älter und der Neffe des regierenden Kaisers. Die Liebe muss groß gewesen sein, denn Justinian bewog seinen Onkel ein Gesetz abzuschaffen, damit er diese Frau aus niederem Stand heiraten durfte. Heute würde man sagen, Theodora war eine mutige, emanzipierte Frau. Sie setzte sich nach ihrer Heirat mit Justinian für Frauenrechte ein, Scheidungsgesetze wurden zugunsten der Frauen geändert, diese durften nun Besitz erwerben. Theodora war klug und selbstbewusst, liebte Prunk und schöne Kleidung. Sie war ebenbürtige Machthaberin. Justinian setzte ihr mit San Vitale ein Denkmal. Das Herrscherpaar ist hier in Ravenna als Vorbild an Machtbewusstsein, Schönheit und Wohltätigkeit im Zeichen der christlichen Religion abgebildet.

Moses inmitten von brennenden Büschen im Gebirge des Sinai. Die göttliche Hand weist den Weg aus dem Feuer. Interessant ist, dass im 6. Jahrhundert nicht ein brennender Dornbusch, sondern eine ganze brennende Landschaft dargestellt werden. Müssen wir die Geschichte neu schreiben? Klimawandel, Waldbrände und Dürre sind auch heute wieder ein Thema der Berichterstattung unserer Zeit. Foto: Petra Pettmann

Die dargestellten Attribute sind vielfältig: Vögel, Blumen, Kaiseradler, Delfine, was mögen diese bedeutet haben? Auch der Triumphbogen, der ins Presbyterium führt, ist interessant. Hier ist mittig Jesus Christus dargestellt, links und rechts von ihm die zwölf Apostel und die zwei Märtyrer Gervasio und Protasio. Auch hier erkennt man unterschiedliche Qualitäten der Ausführung. Weitere biblische Szenen sind dargestellt, etwa Moses und der brennende Dornbusch. Interessant hier, dass gleich mehrere Dornbüsche, also eine ganze Landschaft brennt. Es erinnert an heutige Waldbrände aufgrund hoher Temperaturen, die ganze Landstriche verwüsten. Wer einmal wie ich nachts zum „brennenden Dornbusch“ auf den Gottesberg Horeb in der felsigen Wüste des Sinai aufgestiegen ist, um dort den Sonnenaufgang zu erleben, kann die dargestellte Szene nachempfinden. Es ist atemberaubend schön, wenn sich die ersten Sonnenstrahlen über die Felsen erheben und ein mystisches rotes Licht verbreiten. Moses soll dort die zehn Gebote empfangen haben. Auch heute noch wächst dort „der“ Dornbusch an der Wand des ebenfalls im 6. Jahrhundert errichteten Katharinenklosters. Wohl eher symbolisch, denn 1500 Jahre hat der Strauch sicher nicht überdauert.

Ravenna: Basilika die San Vitale
Das reuige Schaf in der Mitte. Die vier Erzengel auf der Weltkugel. Die Schönheit der Natur, Blumen, Früchte, der Himmel auf Erden? Foto: Petra Pettmann

Wer sich mit Bibel-Exergese wissenschaftlich beschäftigt, kann einfach nur begeistert sein. Für Gläubige und ganz normale Touristen ist der Besuch auch ein Erlebnis. Glitzernde Mosaike haben auch heute noch ihre Wirkung. Wie müssen erst die Menschen der damaligen Zeit von diesem Prunk überwältigt gewesen sein? Hier wurde die neue Religion mit einer überwältigenden Wirkung in Szene gesetzt, besser hätten es heutige Marketingexperten auch nicht gekonnt.

Text + Bilder: Petra Pettmann M.A.