Ravennas Mosaike: Galla Placidia und der Heilige Laurentius

Als Archäologin interessiert mich diese Zeit des Untergangs Roms und der Anfänge des frühen Christentums ganz besonders. Denn hier wurden die Weichen gestellt für unsere heutige Kultur, die nicht nur Europa, sondern die ganze Welt geprägt hat.

Ein Reisebericht

Von Petra Pettmann M.A., 16. Oktober 2022

Unsere Gruppe lauscht andächtig den fachkundigen Erläuterungen von Dorothea Weidemann, Stadtführerin in Ravenna. Mit ihr besuchen wir die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Foto: Petra Pettmann

In Ravenna wurde Weltgeschichte geschrieben. Denn hier residierten weströmische Kaiser und hier wurde das Ostgotenreich 476 von Theoderich dem Großen errichtet. Unter den Goten erreichte die Stadt ihre politische und kulturelle Blütezeit.

Man braucht Zeit und Muße, um sich Ravennas Geschichte zu nähern. Im Bild das Weltkulturerbe „Basilica di S. Vitale“. Gleich daneben, mit gleicher Eintrittskarte erreichbar, findet man das Mausoleum der Galla Placidia. Foto: Petra Pettmann

Heute ist Ravenna eine Großstadt mit rund 160.000 Einwohnern und Verwaltungssitz der gleichnamigen Provinz in der Emilia-Romagna. Das historische Ravena lag ursprünglich direkt an der Adria, heute ist die Küste an die zehn Kilometer entfernt, denn im Laufe der Jahrhunderte verlandete das Po-Delta durch die mit dem Strom mitgebrachten Sedimente immer mehr. Das römische Stadtrecht erhielt Ravenna 88 v. Chr. Weltbekannt ist noch ein weiteres Datum: 49 v. Chr. zog Caesar von Ravenna aus über den Rubikon in den Bürgerkrieg mit Pompeijus. Und schrieb damit Geschichte. Wir alle kennen die Redewendung „über den Rubikon“ gehen, also unumkehrbare Fakten schaffen.

Das älteste Bauwerk Ravennas ist das Mausoleum der Galla Placidia. Im Bild das im spätantiken Stil ausgeführte Mosaik des Heiligen Laurentius mit seinen Attributen, dem Evangelienbuch, dem Rost auf dem er zu Tode gemartert wurde, und dem Schrein mit den Evangelien des „Marcus, Lucas, Matteus, Joannes“. Foto: Petra Pettmann

Gleich acht Monumente Ravennas aus dem 5. und 6. Jahrhundert wurden 1996 auf die Liste des UNESCO Weltkulturerbe gesetzt. Dies mit gutem Grund: Die Pracht der herrlichen Mosaike im Inneren der von außen meist recht schmucklosen byzantinischen Kirchen und Bauten Ravennas ist nicht nur von kunstgeschichtlicher Seite herausragend. Auch die Geschichten, die damit erzählt werden, haben unsere heutige Welt geprägt. Die Bauwerke im Einzelnen:

5. Jahrhundert:

  • Mausoleum der Kaiserin Galla Placidia
  • Baptisterium der Orthodocen

6. Jahrhundert:

  • San Vitale
  • Sant’Apollinare Nuovo
  • Mausoleum des Theoderich
  • Baptisterium der Arianer
  • Bischofskapelle
  • Sant’Apollinare in Classe

Mausoleum der Kaiserin Galla Placidia

Beginnen wir mit dem ältesten Bauwerk von Ravenna: Gleich neben der Kirche San Vitale und dem Nationalmuseum von Ravenna befindet sich das Mausoleum der einstigen römischen Kaiserin Galla Placidia. Diese wurde jedoch nicht hier, sondern um 450 in Rom begraben. Das, von außen recht unscheinbare Gebäude, wurde 425 bis 430 im Auftrag der Kaiserin erbaut und ist in ursprünglicher Form erhalten. Erst nach ihrem Tod wird das Mausoleum mit Mosaiken ausgestattet. Es war an den Narthex der Kirche S. Croce angebaut, die Galla ebenfalls hatte erbauen lassen. Diese Kirche existiert aber heute nicht mehr. Man erreicht das Denkmal über das Gelände der Kirche San Vitale.

Die Mosaike im Inneren verdienen aufgrund ihrer Pracht große Beachtung. Sie bedecken die Gewölbe der vier Flügel des in Form eines lateinischen Kreuzes errichteten Bauwerks. Teile davon wurden im 19. Jahrhundert erneuert. Man erkennt dies an der unterschiedlichen Farbigkeit. Die Darstellungen sind im spätantiken Stil ausgeführt, bei dem die Figuren und die Landschaft noch sehr naturgetreu und plastisch dargestellt sind. Gegenüber des Eingangs wird der Heilige Laurentius dargestellt. Ihm hat Galla das Bauwerk auch geweiht. Typisch für diese Zeit ist es, zur Erkennung der Figuren und des Abgebildeten, symbolträchtige Attribute beizufügen. So wird der Heilige Laurentius mit einem Rost dargestellt, häufig auch mit Märtyrerpalme, Evangelienbuch, Brot und Geldbeutel. Denn Laurentius erlitt den Märtyrertod, wurde auf einem glühenden Rost zu Tode gemartert und starb am 10. August 258 in Rom. Auch heute noch wird dieser Tag bei uns in Deutschland mit Prozessionen gefeiert. Selbst erlebt beim Verband der Köche Deutschlands, deren Schutzpatron er ist. Ebenso ist der Heilige Laurentius auch Schutzpatron vieler Berufsgruppen, die mit offenem Feuer zu tun haben, etwa der Bäcker, Bierbrauer, und eben auch der Köche. Auch die Weinrebe „Saint Laurent“ ist nach ihm benannt.  

Die Längsseite des Kreuzes an der Decke zeigt den Weg nach Osten. Im Osten geht die Sonne auf. Zeitdem es Menschen gibt, verbinden diese den Osten mit dem Göttlichen. Foto: Petra Pettmann

Mich hat die Kuppel mit nachtblauen Mosaiken und sternengleichen Ornamenten am meisten fasziniert, aber auch die weißen und hellblauen Blumen-Ornamente der Gewölbedecken. Durch die Fenster aus dünnem Alabaster dringt warmoranges Licht in den ansonsten dunklen Raum.

Kein Fensterglas, sondern Alabasterscheiben wurden in dieser Zeit verwendet. Meist sind sie nicht mehr erhalten und wurden imitiert. Diese scheint noch echt zu sein. Foto: Petra Pettmann

Das Thema der Mosaiken ist die christliche Erlösung. In der Kuppelmitte thront das Kreuz, Symbol des Sieges Christi über den Tod. Symbole der Evangelisten, die Apostel Petrus und Paulus, sind in den Lunetten abgebildet. Hier findet man auch Ravennas Lieblings-Mosaik, welches in jedem Touri-Laden aufzufinden ist: ein Taubenpaar an einer Wasserschale. Links des Eingangs finden wir bezaubernde Hirsche beim trinken am Wasser eines durch Wellen bewegten Sees, ein Sinnbild des Christentums (Psalm 42) und Weinstöcke (Johannes 15,5), über dem Eingang den Guten Hirten (Johannes 10-11). Ein Besuch lohnt auf alle Fälle. Wenn ihr länger als fünf Minuten besichtigen mögt, kommt besser in der Nachsaison. Der Andrang ist groß, die Zeit limitiert.

Doch wer war Galla Placidia?

Aelia Galla Placidia wurde um 390 in Konstantinopel als Tochter des römischen Kaisers Theodosius I. und seiner zweiten Frau Galla geboren, wodurch sich die Theodosianische Dynastie mit der bislang herrschenden verband. Sie stirbt am 27. November 450 in Rom und wird dort auch beigesetzt.

Galla Placidia, rechts im Bild, und ihre Kinder auf einem Zwischengoldglas (Brescia, Museo di Santa Giulia). Die Benennung ist nicht gesichert. Quelle: Wikipedia

Theodosius I., der Vater von Galla Placidia, war nicänischer Christ und in der Spätantike letzter Alleinherrscher des Römischen Reiches. Nach seinem Tod 395 führte die damit verbundene Aufteilung des Reiches an seine Söhne in ein Weströmisches und Oströmisches Reich.

Galla Placidia hat bereits ein bewegtes Leben hinter sich, als sie im Jahr 421 nach dem Tod ihres Mannes Constantius zur Augusta (Kaiserin) wird. Intrigen und Konflikte prägten ihr Leben. Ihren Lebensabend verbrachte sie in Rom. Zuletzt fiel sie in Ungnade und verlor den Augusta-Titel. In späteren Quellen, etwa bei Cassiodor, wird sie für den Niedergang Roms unter der Regierung ihres Sohnes verantwortlich gemacht. Allerdings könnte man auch sagen, dass diese Zeit allgemein eine Zeit der großen Wandlung und von Machtgerangel geprägt war, und viele Faktoren dazu beitrugen, dass das Römische Reich langsam, aber sicher, unterging.

Text + Bilder: Petra Pettmann M.A.

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