Von der Kunst, Risotto und Panissa richtig zuzubereiten – mein Besuch bei Giancarlo Cometto in Vercelli

Es ist schon eine Kunst Risotto richtig zuzubereiten. Das lernte ich auf einer Pressereise, die ich vor einigen Jahren mit dem Vorstand des Vereins der Köche Deutschlands nach Italien ins Piemont unternehmen durfte. Hier könnt ihr meinen Bericht von damals lesen:

Die Italienische Handelskammer für Deutschland lud im Jahr 2011 Köche aus Deutschland zu einer Studienreise nach Vercelli ein, damit diese die hohe Kunst der piemontesischen Küche direkt im Herzen des Piemonts – dem größten Reisanbaugebiet Europas – kennen lernen konnten.

Hier spielt der Risotto die Hauptrolle. Mit dabei waren auch fünf Mitglieder des VKD-Vorstands. Und ich als einzige freie Journalistin.

Wer an Vercelli denkt, sieht eine Ebene mit endlosen Reisfeldern vor sich. Denn Reis ist neben der bekannte Weinrebe Barolo, Gattinara und Nebbiolo das wichtigste agrarwirtschaftliche Produkt, welches die Region nördlich des Pos zu bieten hat. Die Gerichte der Region Vercelli entsprechend auf Reis fokussiert. So führte die Studienreise vom 26. bis 28. Oktober 2011 direkt in das Herz des Reisanbaus: in die Region Vercelli. Drei Tage intensives Studium und die Verkostung vielfältigster Risotto-Varianten standen der hochkarätigen Gruppe bevor.

Risotto-Experte und Küchenmeister Giancarlo Cometto, steht im Schulungsraum der Hotelfachschule G. Pastore in Gattinara und blickt der eintreffenden Delegation aus Deutschland erfreut entgegen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Schule erhalten deutsche Profiköche mitten im größten Reisanbaugebiet Europas Einblicke in die hohe Kochkunst des Risottos. Und lernen gleich: Es gibt nicht nur Risotto, es gibt auch die Panissa (Risotto alla Vercellese), ein sehr reichhaltiges Reisgericht typisch für den Norden des Piemonts. Je nach Region und Herkunft des Kochs variieren die Rezepturen auf vielfältigste Weise. Allen gemeinsam ist jedoch eines: Das Reiskorn stammt aus der Region. Ob „Riso Superfino Carnaroli – der König des Reises zum Einsatz kommt, oder aber Super-fino-Sorten wie Baldo, Sant’Andrea, Gladio, Balilla oder Arborio, ist ganz von dem geplanten Gericht abhängig, und jede Reissorte verlangt auch ihre eigene Zubereitungsart. Eine Kunst für sich und keineswegs ein „Arme Leute Essen“.

Die deutschen „Schüler“ sind keine Unbekannten. Gleich fünf Vorstandsmitglieder des Verbands der Köche Deutschlands und weitere sieben an der italienischen Küche stark interessierte Köche sind der Einladung gefolgt. Denn die Gelegenheit, aus erster Hand von Lehrer Cometto, der seit 32 Jahren als Kochlehrer arbeitet, in die Kunst der Risottoherstellung eingeweiht zu werden, ist einmalig.

Nun sitzen wir wie die Schüler der Internationalen Hotelfachschule ehrfurchtsvoll auf unseren Stühlen und lauschen dem Grande Majestro, währenddessen dieser mit flinken Fingern und strahlenden Augen von seinem Lieblingsprodukt erzählt: Dem Reis.

So wird die typische Panissa della Vercellese aus den Reissorten Arborio oder Baldo mit Bohnen und Salsiccia hergestellt, für andere Risottogerichte nimmt er hingegen den König des Reises: „Carnaroli“. Zum cremigen Risotto gibt es stilvoll arrangierte Kaninchenkeule und andere außergewöhnli-che Toppings, deren Aromen geschickt miteinander verschmelzen. Aromatisiert wird der Risotto auch mit kleingewürfelten Gemüsesorten wie Kürbis, Paprika und Zucchini, Pilzen und allerlei Kräutern. Abgelöscht wird mit hochwertigem Weißwein der Region und natürlich mit einem Gemüsesud, der währen der gesamten Kochvorstellung auf kleiner Flamme vor sich hin köchelt. Für Süßspeisen, bei denen man das Reiskorn spüren soll, sind die Reissorten Loto und Baldo bestens geeignet. Der seltene schwarze Reis (Riso Nero Venere) wird von Cometto eher für Kreativ-Gerichte verwendet und spielt hier eine untergeordnete Rolle.

„Wann und für was nutzt man „Riso Superfino Carnaroli“, „Riso Baldo“, oder „Riso Sant Andrea“? Worauf kommt es bei der Zubereitung an und was sind die Profitricks italienischer Köche aus dem Piemont, die ihr Handwerk aus dem Eff Eff verstehen?“ Die Delegation Deutscher Köche stellte Fragen über Fragen und bekam dank deutschsprachigem Überset-zer auch fachkundige Antwort. Auch die Art der Ausbildung und Lehre stand im Fokus der Diskussion.

Beim gemeinsamen Essen in der Hotelfachschule zeigten die Auszubildenden dann, was sie gelernt haben: Von der professionellen Weindegustation über den perfekten Service am Tisch bereitete es den Gästen aus Deutschland viel Freude aktiv Einblicke in die Ausbildung der italienischen Köchezunft zu erhalten. Und die kredenzten Menüs konnten sich ebenfalls sehen lassen. Mit diesem Kursangebot der „Internationalen Schule des Risottos“ will man erfahrenen Küchenchefs und Schülern der nationalen und internationalen Hotelfachschulen die Möglichkeit bieten, die Kultur des Risottos kennen zu lernen. Die Seminare können in Gattinara, aber auch in den Räumlichkeiten der Interessenten stattfinden.

Neben den ausführlichen Lernstunden im Kochstudio der Hotelfachschule besichtigen wir auch das Weingut Antoniolo in Gattinara. Bemerkenswert ist, dass dieses seinen Wein erst nach 4 bis 5 Jahren Lagerungszeit verkauft, denn dann erst hat der Wein aus der Nebbiolot-raube den gewünschten Reifegrad und somit die beste Qualität. Die regionale Enothek in Gattinara (www.enotecaregionaledigattinara.it) bot uns einen Überblick über die Vielfalt der Rebsorten der Region Vercelli. Hier in der Villa Paolotti findet man Weine aus dem Gebiet der Terre del Nebbiolo del Nord Piemonte. Es handelt sich um DOCG Gattinara und Ghemme, die klassischen Weine DOC-Lessona, Boca, Bramaterra, Fara, Sizzano, und neue Weine wie DOC Colline Novaresi und Coste della Sesia. Auch junge Weine, Weißweine, Rosé und wiederentdeckte Weinsorten wie der Vespolina und der Bonarda sind mit von der Partie.

In der Reismühle Tomasoni in Rovasenda (www.riseriarovasenda.it) kann man alle Reissorten, die die Region Vercelli hervorbringt in dekorativen Baumwollbeuteln oder auch vakuumverpackt zu günstigen Preisen kaufen. Der Import nach Deutschland steht noch am Anfang. Wie generell typisch für kleine regionale Produzenten: Die Produkte sind hochwertig, doch für Betriebe des Klein- und Mittelstandes und Weingüter mit fünf bis 10 Hektar Weinberg ist die kostenintensive Vermarktung meist schwer. So ist man froh über jeden Gastronom, Händler und Hotelier, der die Direktvermarktung dieser regionalen Spitzenprodukte in Angriff nimmt.

Ein besonderes Highlight war die Einladung zum Abendessen des Landwirtschaftsverbandes von Vercelli beim Fürstentum Lucedio in Trino Vercellese (www.principatodilucedio.com) , eines von den Zisterziensern im Jahre 1123 n. Chr. gegründeten Klosters, in dem die Geschichte des Reisanbaus in Italien im 15. Jahrhundert begann und welches heute noch als eines der größten Reisproduzenten gilt. Gemeinsam mit der jetzigen Besitzerin des Landgutes Principates de Lucedio, der Gräfin Rosetta Clara Cavalli d’Olivola Salvadori di Wiessenhoff wurde fürstlich im Kapitelsaal diniert. Auf den Tellern: natürlich Risotto. Was sonst?

Copyright Text und Bilder: Petra Pettmann M.A., http://www.pettmann.de, Fon: 0173 3438020, presse@pettmann.de

Nachtrag 2022:

Heute scheint es diese Hotelfachschule unter der www-Adresse nicht mehr zu geben. Was aus Giancarlo Cometto geworden ist? Wer weiß es?

Fasziniert hat mich damals auch unser Aufenthalt im Kloster. Eine der Säulenim ehemaligen Kapitelsaal „weinte“ – die Gräfin erzählte uns eine Geschichte dazu. Unheimlich war das! Im Innenhof konnte ich einen riesigen Lorbeerbaum bestaunen. Wunderbar!

Bei Wikipedia kann man zum Kloster noch interessantes lesen: Nach der französischen Besetzung Piemonts ging Lucedio an Napoleon über, der es durch einen Erlass 1807 seinem Schwager Fürst Camillo Borghese, dem damaligen Hauptstatthalter von Piemont, übergab. 1822 übernahm der Marchese Giovanni Gozani von San Giorgio die Kontrolle Lucedios (ein Ahne der derzeitigen Besitzerin), der das Landgut 1861 seinerseits dem Marchese Raffaele de Ferrari, Herzog von Galliera abtrat. Ihm wurde der Titel Fürst von Lucedio verliehen, seine Frau Maria Brignole Sale de Ferrari hinterließ der Stadt Genua ihre große Kunstsammlung. 1937 wurde schließlich der gesamte Komplex von Graf Paolo Cavalli d’Olivola, dem Vater der heutigen Besitzerin und Managerin Gräfin Rosetta Clara Cavalli d’Olivola Salvadori di Wiessenhoff, erworben. Das Landgut mit dem Namen Principato di Lucedio (Fürstentum Lucedio) produziert heute vor allem Reis.

Infos unter: https://www.principatodilucedio.it/en/story/